30.03.2002  Auf dem Ayerawaddy nach Bagan

Mittlerweile haben wir ja schon Routine in Sachen Rucksack-Packen und so stehen wir pünktlich um 5 Uhr früh vor der Tür vom E.T. Hotel und warten auf das Taxi, das auch prompt kommt. Panik!! Meine Brille liegt noch oben auf dem Nachttisch und alles wartet auf mich, während ich laut fluchend die Treppe hochsprinte und meine Augengläser auf der Nase plaziere. Dann geht´s im Eiltempo zum Pier, wo die Expressboote liegen.
Die Fahrt nach Bagan den Ayerawaddy („Der Erhabene“) soll zwischen 6 und 9 Stunden dauern (letztendlich waren es dann 11 ½) und nachdem uns ein Steward über ein Einheimischenboot gelotst hat, führt er uns in den „Salon“ zu unseren Sitzplätzen. Hier siehts aus wie im Flugzeug und genausolche Sitze sind hier aufgestellt, lediglich die Beinfreiheit ist viel grösser als im Flieger! Der sogenannte Salon ist im Unterdeck und wir haben gar nicht vor, hier sitzen zu bleiben und so stellen wir unsere Rucksäcke auf die reservierten Sitze (hat Htoo-Htoo alles für uns gemanagt!) und erkunden erstmal das Schiff. Auf dem Mitteldeck gibt es das Restaurant und das ist wirklich wie ein Salon aus der Vergangenheit eingerichtet, mit roten Plüschsesseln und kleinen Tischchen davor kommt es uns vor wie die Szene aus einem Film der 20iger oder 30iger Jahre. Das Oberdeck ist dann schon eher was für uns, von hier hat man einen wunderbaren Blick zu beiden Ufern des Ayerawaddy und ausserdem wird uns der Fahrtwind später am Tag sicher auch etwas Erfrischung bringen.
Was sofort herausragt: soweit das Auge reicht, rechts wie links des Ayerawaddy, erschliesst sich uns die Umgebung von Mandalay und die ist vor allem geprägt durch Pagoden, Pagoden und nochmals Pagoden!

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Im Licht der frühen Morgensonne scheinen die unendlich vielen goldenen Dächer der kleinen und grossen Stupas und Pagoden eine fast unwirkliche Atmosphäre auszustrahlen, die uns minutenlang gefangennimmt –  ein kleiner Vorgeschmack auf die Umgebung von Bagan, aber das stellen wir erst später fest. Der Fluss macht hier viele Biegungen und immer wieder sind wir von neuem überrascht, denn diese Pracht nimmt einfach kein Ende. Wir fragen uns, wer hat dies alles erschaffen und welche Werte – nicht nur materieller, sondern auch kultureller Art – sehen wir hier vor uns? Es ist einfach unfassbar und dieser Eindruck hält noch lange an.
Von unserem Schiff aus können wir jetzt auch nochmal die Ava-Bridge filmen, obwohl dies ja eigentlich verboten ist. Der Fahrtwind ist noch immer recht kühl und nachdem wir dieses Schauspiel so lange betrachten haben, wie es unsere Psyche aushält, gehen wir ins Mitteldeck und trinken erstmal einen heissen Kaffee. Später suchen wir uns auf dem Oberdeck ein Plätzchen an der Rehling und geniessen einfach nur noch die Fahrt. Langsam bekommt die Sonne mehr Kraft und ich versuche, schon mal ein wenig Farbe zu bekommen, ohne in der Sonne verflüssigt zu werden (selbst am Ende unseres Urlaubes habe ich noch die Farbunterschiede am Oberschenkel, wo der Bermuda aufgehört hat!).

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Faszinierend ist immer das Anlegemanöver dieses riesigen Schiffes: die Ufer sind in keinster Weise befestigt und bestehen in der Regel nur aus dem puren Sand, nichtmal die Stelle, wo letztendlich das Schiff anlegt, kann das Auge erkennen, aber anscheinend ist das nur der Eindruck eines ungeübten Europäers, denn im Gegensatz zu uns scheinen die Einheimischen diese Stellen sehr wohl zu erkennen.
An jeder Anlegestelle steht ein bunt gemischtes Völkchen: Kinder, Mütter mit schweren Bündeln auf den Köpfen, Händler mit vollen Taschen und auch Mönche – manche ganz elegant mit Sonnenschirm – und alle gehen grazil über die meist nur wenige Zentimeter breiten biegsamen Latten, die den Steg zwischen Boot und Ufer bilden. Ich wäre dazu nichtmal in der Lage, wenn ich ohne Gepäck und mit festem Schuhwerk die Bretterbohle überqueren sollte!

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Sobald das Schiff angelegt hat, gehen die Händler, meist Frauen, mit ihren Waren ins Wasser und stehen manchmal bis zur Brust in der braunen Brühe des Ayerawaddy und bieten gefüllte Teigtaschen mit fritiertem Gemüse, Früchte, Salat, Bananen, Papayas und kleine gebratene Fleisch- und Tofustückchen zum Verkauf an – endlich kommt Dieter auch zu seinem Recht, indem er eine handvoll Bananen erwirbt. Ursprünglich für 500 Kyat angeboten, handelt er nach einem kurzen Hinweis eines Einheimischen den Preis auf 50 Kyat herunter und wird zur Belohnung auch noch beschimpft, allerdings nicht ernsthaft, sondern eher mit anerkennendem Respekt.
Neben den wenigen Anlegepausen bietet die Landschaft wenig Abwechselung; sicher kann man das eine oder andere typische Leben der Uferbewohner beobachten, aber im Grossen und Ganzen ist es einfach nur braun, das dafür aber in allen Schattierungen. War das Ufer bei und hinter Mandalay noch gesäumt von hunderten von Stupas und Pagoden, wurde der Fluss später richtig breit; viele kleine Inseln aus Sandanhäufungen übersät von Nur-Dach-Hütten aus Bastmatten beherbergen mit Sicherheit die Flussnomaden, denn wenn der Ayerawaddy normales Wasser führt, stehen sie noch unterhalb der Flutlinie.
Dazu muss gesagt werden, März und April sind die heissesten Monate in Burma und somit hat die Natur ihr Wirken auf das Minimun hinuntergeschraubt; das äussert sich in verdorrter Landschaft, die eher an die wilde Tundra erinnert als an das blühende Asien, das man gemeinhin kennt – später im Jahr und besonders ab Oktober sieht das alles ganz anders aus, aber das haben wir auch erst später in diversen Reiseinfosendungen gesehen.
Nach all dem Dreck und der Hitze in Mandalay ist es auf dem Schiff richtig erholsam; der Fahrtwind ist angenehm warm und die Stunden vergehen wie im Flug. Hier lernen wir auch Sabine und Astrid kennen, zwei Münchnerinnen, die die gleiche Tour machen wie wir und wir sind uns schnell einig: Die Menschen in Burma sind unglaublich nett und entgegen aller Artikel in den einschlägigen Reiseführern ist das Reisen wirklich einfach und unkompliziert. Es ist für Ausländer auch enorm sicher, denn die Militärregierung verhängt schwere Strafen, sollte ein Einheimischer bei einem Verbrechen an einem Touristen erwischt werden – das würde das Ansehen des Landes schädigen und das kann sich die Regierung nicht erlauben.
Nach elf Stunden Fahrt kommt endlich Bagan in Sicht und führt sich gleich richtig ein:

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die Shwezigon-Pagode, ein Traum in Gold, erstrahlt in der Abendsonne; das Licht hat einen sonderbaren Schimmer, denn kurz vorher fiel doch tatsächlich ein wenig Regen – der einzige in den ganzen vier Wochen!
Wir legen am Pier an, den man als solchen nur daran erkennt, dass sich viele Menschen hier versammelt haben und natürlich an dem grossen weissen Passagierdampfer „Road to Mandalay“ – mir fällt dabei der Roman „Mandalay“ ein, den ich kurz unserer Reise noch gelesen habe und in dem auch von der „Road to Mandalay“ die Rede ist – sicher aber nicht derselben, denn der Roman spielt in den späten 90igern des 18. Jahrhunderts.
Htoo-Htoo hatte uns vor der Abreise in Mandalay noch mitgeteilt, dass uns jemand abholen würde, ausserdem hat er uns an seinen Freund vermittelt, der hier in Bagan im Aung Mingalar Hotel arbeitet, so dass wir uns um die Unterkunft nicht mehr kümmern müssen. Tatsächlich hat uns bereits auf dem Schiff noch ein Einheimischer angesprochen und als ich den steilen staubigen Weg sehe, der mit Hilfe von in den Sand gehauenen Treppen bis hoch an das Ufer führt und mir dabei vorstelle, wie ich mit dem im Schutzsack verpackten Rucksack bei dieser Hitze da hoch gehen soll, bin ich richtig froh, etwas Hilfe zu haben – aber weit gefehlt! Statt uns die Rucksäcke abzunehmen, lief der Boy leichtfüssig und lächelnd an uns vorbei und rief uns auch noch zu, wir würden ja oben abgeholt! Mann, bin ich sauer, aber ich habe einfach keine Kraft, mich aufzuregen und konzentriere mich ganz auf den Weg.
Am oberen Ufer ist ein kleines Office aufgebaut – ein Tisch, zwei Stühle, ein Schild mit der Aufschrift Office – fertig! Im Schweisse unseres Angesichts zahlen wir die 10 FEC „Eintritt“ für Bagan und Umgebung, das Geld wird für die Erhaltung der an die 2500(!) Tempel und Stupas verwendet (hoffentlich), quälen uns anschliessend noch eine steile Treppe hoch und tatsächlich steht da ein Boy mit unserem Namensschild und einem Ponywagen. Im Ponygalopp fährt er uns zum Aung Mingalar Hotel und ich habe die Gelegenheit, mich ein wenig zu erholen und langsam wieder zu mir zu kommen. Auf dem kurzen Weg zu unserer Unterkunft sind wir an Unmengen von Stupas und Tempeln vorbeigefahren, die Gegend ist im wahrsten Sinne des Wortes übersät mit diesen religiösen Heiligtümern! Die meisten sind rotbraune Ziegelbauten, aber es gibt auch viele weisse Bauwerke mit goldenen Dächern und zierlichen Htis (so nennt man die Schirme).
Nach dem Einchecken sehen wir aus dem Fenster unseres Bungalows und können es nicht fassen: direkt vor uns erblicken wir die goldschimmernde Shwezigon-Pagode – von 4 Scheinwerfern angestrahlt ein unvergesslicher Anblick im Kontrast zu dem schwarzem Nachthimmel! Hier treffen wir auch Sabine und Astrid wieder und nach einem gemeinsamen Bierchen wird schnell ausgepackt und dann gehen wir nur noch etwas Essen im benachbarten Chinesenrestaurant – natürlich mit Blick auf die Shwezigon.

31.03.2002  Fahrradtour durch Staub und Heiligtümer

Beim Frühstück in dem kleinem Pavillon beschliessen wir bei frischem Kaffee und Obstsalat, uns ein paar Fahrräder zu mieten und die Gegend zu erkunden. Uns fällt auf, dass es überhaupt kein einziges Rad mit Stange, also ein Herrenrad, gibt und bei näherem Nachdenken haben wir die auch in Mandalay und Yangon nicht gesehen und Dieter hat dann auch gleich die Erklärung: Nicht nur die Frauen, auch die Männer tragen hier Longhis, die traditionellen Wickelröcke, ähnlich den Sarongs in Indonesien. Männer in Hosen oder gar in Jeans gibt es kaum in Burma und natürlich ist es da nur logisch, dass es nur Damenräder gibt!
Die Räder sind nicht gerade modern und haben auch keine Gangschaltung, aber die Übersetzung ist o.K und kann sogar auf den zumeist sandigen Wegen bestehen. Nach einiger Eingewöhnung komme auch ich damit gut zurecht und los geht´s. Bis zum Abend sind wir unterwegs von Tempel zu Tempel, von Stupa zu Stupa, immer umschwärmt von Postkartenverkäufern und den allgegenwärtigen Copypaintern. Die Bilder sind nach der Methode Malen nach Zahlen gemacht, aber trotzdem recht hübsch; heute ärgere ich mich, dass ich nicht einige davon gekauft habe.
Die Hitze ist der reine Wahnsinn, bestimmt 40° und auf einer asphaltierten Strasse kommt uns statt dem kühlenden Fahrtwind nur ein heisser Föhn entgegen. Dennoch sind wir überwältigt von der Menge an Bauwerken und erkennen, dass an jedem noch so kleinen Heiligtum ein Täfelchen mit einer Nummer angebracht ist – so werden die Restaurationsarbeiten organisiert und verwaltet.
In der grössten Mittagshitze lassen wir es uns auch nicht nehmen, die steilen Stufen auf den Mingala Zedi hinaufzusteigen und von dort ein absolut malerisches Panoramabild von Bagan zu erhalten; obwohl wir barfuss hinauf müssen, nehmen unsere Fusssohlen keinen Schaden! Von hier oben hat man den perfekten Überblick und wir erkennen erst jetzt wirklich die wahre Grösse der Ansammlung an Heiligtümern hier in Bagan.

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Im Reiseführer lesen wir später, dass die Tempel, Stupas und Pathos (Schreine) teilweise über 900 Jahre alt sind und weiter heisst es „…Uns fehlt jegliche Vorstellung vom ehemaligen Aussehen Bagans, denn wie in anderen königlichen Städten Myanmars wurden auch hier nur die bedeutenden religiösen Bauwerke aus unvergänglichen Materialien errichtet. Die Königspaläste und Kyaung (Klöster) waren hingegen aus Holz. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Bagan heute nur noch eine schwache Ahnung von dem Ausmass seines vergangenen Glanzes vermittelt…“.
Im Hotel zurück treffen wir Sabine und Astrid und nehmen gemeinsam ein Bier. Die beiden sind wirklich unkompliziert und wir beschliessen, gemeinsam zum Inle See weiterzureisen, denn wie auch immer das Transportmittel aussieht – wahrscheinlich wird es ein Minibus sein – ist es zu viert auf jeden Fall billiger. Die beiden wollen sich morgen darum kümmern. Für den nächsten Morgen verabreden wir uns zu einem Sunrise-Trip zu einer der Pagoden, denn den Sonnenaufgang über der Ebene von Bagan wollen wir nicht verpassen.
Zum Abendessen gehen wir in ein kleines Einheimischen-Restaurant an der Hauptstrasse. Hier bekommen wir neben einer phantastischen Nudelsuppe auch eine typische burmesische Frucht in Form von kleinen Plättchen zu kosten: Tamarindenflakes. Sie sollen gut gegen Halsentzündung sein und schmecken leicht nach Minze. Bevor wir Bagan verlassen, wollen wir uns auf alle Fälle noch ein paar dieser Tamarindplättchen besorgen, das ist ein schönes Mitbringsel.
Und noch etwas fasziniert uns: die Flaschenöffner! Sie sind handgefertigt aus einem Stück Teakholz; eine Schraube ist durch ein Ende hindurchgedreht und mit einer Kontermutter befestigt. Den Kronkorken klemmt man zwischen Holz und Mutter und öffnet mit Hebelwirkung die Flasche. Genial! Dieter fragt nach dem Flaschenöffner und tatsächlich bekommt er ein echtes Exemplar geschenkt! Ich bin ein wenig neidisch, aber ich denke, ich bekomme später auch noch ein solches Erinnerungsstück und vielleicht kann man es sogar in einem Haushaltsladen kaufen?

 

01.04.2002  Ostern, Ticketkauf und die Shwezigon-Pagode

Um halb sechs wollen wir uns treffen, also heisst es mal wieder: viertel vor fünf und raus aus den Federn. Schnell eine Dusche, dann auf die Räder und los geht´s. Wir fahren die innere Hauptstrasse entlang (Anawrahta Lan) – die äussere (Bagan-Nyaung U Road) verläuft parallel und liegt näher am Aeyerawaddi – und entschliessen uns, den Sonnenaufgang auf der Shwesandaw-Pagode zu erleben. Die oberster begehbare Terrasse ist neben dem Mingala Zedi die höchste zugängliche Ebene in der sog. Archäologischen Zone in Bagan und daher gerade bei Sonnenauf- und –untergang sehr beliebt.
Auch wir sind nicht allein: nachdem wir uns die vielen fast senkrecht in die Höhe steigenden Stufen ohne Geländer hochgequält haben, sehen wir einen dieser Yuppie-Reisenden mit Rastalocken und einer Fotoausrüstung vom Feinsten mit Stativ und Teleobjektiv. Ganz fachmännisch baut er sich auf – und hat dann später doch Pech, denn die aufgehende Sonne wird aus seiner Perspektive verdeckt von einem hochaufragenden Zedi – wir dagegen haben den perfekten Sonnenaufgang. Plötzlich ragen aus dem Frühnebel ringsum die Stupas und Pathos auf, von der noch im Dunst liegenden Sonne beschienen und es dauert nur etwa 10 Minuten, dann kommt sie in ganzer Pracht durch den Dunst und bescheint die Tiefebene von Bagan.

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Es ist ein unwirklicher Anblick, wie tausende und abertausende kleiner Türme aus dem Nebel aufsteigen und beschienen durch die Morgensonne rötlichglänzend sich erheben.
Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt und tief befriedigt fahren wir Richtung Hotel; unterwegs müssen wir kurz anhalten, um eine lange Schlange von Mönchen, die zum Frühbetteln in die Stadt gehen, die Strasse passieren zu lassen. Die Mönche – das ist hier ja fast eine Plage – hoffentlich liest das niemals ein Burmese! Jeder Burmese geht in seinem Leben für ein paar Monate in ein Kloster als Mönch oder als Nonne; manche bleiben für immer, studieren die Pali-Schriften und machen sich dreimal am Tag auf, um sich in den traditionellen schwarzen Opferschalen das Frühstück, Mittag- oder Abendessen zusammen zu betteln. Die Burmesen sehen dies aber nicht als Betteln an, im Gegenteil: für jeden Burmesen ist es eine Ehre, einem Mönch Reis oder sonstige Nahrungsmittel anzubieten. Mönche bestimmen das Leben und sind einfach nicht wegzudenken. Selten sieht man sie allein, meistens tauchen in kleinen Rudeln auf.
Wieder im Hotel frühstücken wir erstmal in aller Ruhe und reden über das, was wir gerade erlebt haben. Sabine und Astrid wollen heute Abend nochmal los und sich den Sonnenuntergang ansehen, wir dagegen werden heute Abend die Shwezigon-Pagode besuchen. Als wir fertig sind, trennen sich unsere Wege: Sabine und Astrid werden sich um die Fahrt zum Inle See kümmern und wir wollen ein Reisebüro aufsuchen, um den Flug vom Inle See nach Ngapali und später dann nach Yangon zu buchen. Im Hotelzimmer machen wir uns noch kurz frisch und ich sehe auf dem Nachttisch einen kleinen Osterhasen – Dieter denkt tatsächlich an alles: Heute ist Ostern!
Auf unserer gestrigen Fahrradtour haben wir das Büro von Yangon Airways gesehen und da fahren wir nun hin. Der Eingang ist der eines normalen Wohnhauses, die Tür steht offen. Draussen laufen Hühner und Katzen herum und durch die offenstehende Tür können wir durch das sogenannte Büro hindurch direkt in die Wohnstube blicken. Als wir eintreten, kommt der Vater gerade aus dem Wohnzimmer, richtet sich den Longhi und zieht sich in aller Seelenruhe ein ärmelloses Unterhemd an, sichtlich unbeeindruckt von unserem Erscheinen. Ein junges Mädchen, wahrscheinlich die Tochter, fragt nach unseren Wünschen. Wir hatten uns die Termine aufgeschrieben: am 07. April wollen wir nach Ngapali fliegen und am 17. April nach Yangon – ein voller Tag in der Hauptstadt reicht uns, denn eigentlich wollen wir dort nur noch die berühmte Shwedagon-Pagode besichtigen und nochmal auf den Markt.
Das Mädel will im Yangoner Büro anrufen, aber die Leitung ist gestört und sie kommt nicht durch. Sie schlägt uns vor, zum Hotel zurückzugehen und dort zu warten; die Tickets würden uns dorthin gebracht und natürlich könnten wir dort auch bezahlen – natürlich in US-Dollar und je 75US$ je Ticket. Was bleibt uns anderes übrig, als dem zuzustimmen und so fahren wir wieder ins Hotel zurück. Etwas skeptisch sind wir ja schon, weil die ganze Aktion bisher so gar nichts bürokratisches an sich hat, aber es sollte noch besser kommen.
In einer kleinen Nebengasse hören wir auf einmal volltönende Musik und ich sage zu Dieter, dass ich jetzt zu dem kleinen Laden fahren würde, aus dem die Musik erklang und nach der Platte fragen werde, dann haben wir wenigstens ein wenig einheimische Musik! Wie sich dann herausstellt, handelt es sich um einen Karaoke-Schuppen und die Hütte ist voller Jugendlicher, die sich nun um uns scharen und wissen wollen, was wir vorhaben. Nachdem wir unser Anliegen vorgebracht haben, fangen alle an zu lachen und laut zu rufen und plötzlich waren noch mehr Menschen um uns herum. Wir müssen noch zwei Kostproben der Gesangskünste über uns ergehen lassen und nach einem beifälligen Nicken unsererseits überreichen sie uns voller Stolz eine CD eines der einheimischen Stars und die ganze Meute rennt lächelnd und winkend hinter uns her, um uns zu verabschieden. Zu Hause stellen wir dann fest, dass die Lieder doch nicht so toll sind und die Videos sind in schwarz-weiss, aber das Erlebnis zählt, oder?
Kaum im Hotel angekommen kommt schon ein Angestellter des Airway-Büros auf uns zu; er hat die Tickets für den Flug Thandwe-Yangon, die anderen – Heho-Thandwe – werden von der Agency besorgt und heute abend im Hotel abgegeben, aber wir möchten doch bitte schon mal bezahlen, die Agency will das Geld im Voraus haben. Wir holen also 300 US$ hervor und übergeben sie dem Boten, der sie einsteckt, sich umdreht und mit einem Lächeln davonfährt – mit den Tickets, die er ja angeblich für uns schon hatte! Völlig perplex setzen wir uns auf die Bank im Garten unseres Hotels und denken, dass man das wohl keinem Menschen erzählen kann, wie leichtsinnig wir sind! Aber allen Bedenken zum Trotz liegen am Abend tatsächlich alle unsere Tickets mit dem o.K. Status an der Rezeption – Gott sei Dank!
Um den Schock zu überwinden, setzen wir uns an den Strassenrand in ein kleine chinesische Garküche, trinken einen Kaffee und nehmen ein paar typische Strassenszenen auf: die völlig überfüllten Busse, ein vorbeilaufender Mönch, einige dieser selbstgebauten Minitraktoren, von denen jedes ein Einzelstück und nur mit dem Allernotwendigsten wie Motor, Lenkstange und Sitz ausgestattet ist.
Für das Radfahren haben wir keine Lust, also mieten wir uns einen Fahrer mit Ponywagen und machen eine kleine Tour nach Altbagan.
Die Tempel hatten wir am Vortag ja schon besichtigt und so geniessen wir einfach das langsame Traben unseres Ponies und beobachten dabei die Umgebung. An einem Tempel halten wir dann doch noch an, um ein paar Melonen und Tamarindenflakes zu kaufen; ein Blinder sitzt am Tempeleingang und singt zur Gitarre, einer Fussklapper am linken und einer Schelle am rechten Fuss.  Es scheint eine Art Volkslied zu sein und klingt sehr schön, so dass wir das ganze filmen und dabei unsere Melone geniessen.
Wieder zurück im Hotel treffen wir Sabine und Astrid. Die beiden haben schon einen kleinen Minibus für den nächsten Tag geordert, der uns nach Kalaw bringen wird. Die Fahrt soll um halb acht morgen früh starten und zusammen 70 US$ kosten. Dieter fällt ein, dass ja der erste April ist und wir noch keinen Aprilscherz gemacht haben. Also gehen wir mit einem guten Myanmarbier zu den beiden auf die Terrasse und Dieter erzählt, dass wir kurzfristig den Plan geändert haben und noch einen Tag länger hier in Bagan bleiben, dafür kostet dann die Fahrt auch nur 65 Dollar. Astrid´s Mine, die bisher ein freundliches Lächeln zeigt, erstarrt zur Maske und Sabine macht nur noch den Mund auf und zu. Sekundenlang ist Stille und bevor ich die Beherrschung verliere und ganz furchtbar anfange zu lachen, sagt Astrid: „Nein, das ist nicht wahr…“, aber dann sieht sie auch Dieter grinsen und wir rufen gemeinsam „April, April!“
Eine Stunde vor Sonnenuntergang gehen wir über die Strasse zur Shwezigon-Pagode rüber. Über einen langen Gang, in dem zu beiden Seiten Händler aller Art Ihre Waren anpreisen, gelangen wir zum Haupteingang der Pagode. Die Shwezigon ist nicht nur die älteste Stupa von Bagan, sondern überdies auch die Stätte, an der von königlicher Seite die Existenz von 37 Nat (Geistern) anerkannt wurde, die vor der Ausbreitung des Buddhismus den Glauben der Menschen bestimmten. Damit wir Fotografieren und Filmen dürfen, müssen wir 10 Kyat für Fotos und 25 Kyat für das Filmen bezahlen, allerdings ist ansonsten kein Eintritt fällig. Die Pagode ist wunderschön und beherbergt viele kleine Schreine, in denen gebetet und gespendet wird; die untergehende Sonne bestrahlt die goldenen Beschläge, die Tiergestalten und den grossen Hti der Stupa. Heute ist Ostersonntag und tatsächlich findet sich über einem Bogen zu einem der Schreine das Abbild eines Hasen! Hier sind viele Kinder und da wir noch Luftballons und Kugelschreiber haben, gehe ich zu einer Mauer und suche ein paar Ballons raus; kaum habe ich den ersten verteilt, bin ich umringt von Frauen und Kindern und alle schreien nach den Geschenken; manche fassen mich sogar an, so dass ich fast an Bedrängungsangst leide und froh bin, dass ich dem Trubel schnell wieder entfliehen kann.
Noch ein paar Fotos und dann gehen wir in der Dämmerung zurück ins Hotel, wo wir bei einem Bier endlich einige Karten schreiben und darauf warten, dass es Zeit wird, zu der Vorstellung des Marionettentheaters ins Nanda Restaurant zu fahren. Wenn Touristen in der Stadt sind, findet hier abends immer eine Vorstellung statt. Das Essen ist gut und sehen können wir auch gut, die Musik ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber es ist faszinierend, wie die Puppenspieler ihre Marionetten steuern können. Nicht nur Tanzschritte, auch Überschläge und einen Schwertkampf dürfen wir bestaunen; die Puppen sind mit liebevollen Details ausgestattet, bei manchen ist nur der Mund beweglich, bei anderen können sogar die Augenbrauen unabhängig voneinander gesteuert werden. Die ganze Vorstellung dauert 20 Minuten und zeigt eine jataka (= Geschichte aus dem Leben Buddhas). Marionettentheater haben in Burma eine lange Tradition, werden aber leider heute nicht mehr gepflegt und nur noch in den Touristenzentren Yangon und Bagan gezeigt (sagt unser Reiseführer).
Im Dunklen fahren wir zurück ins Hotel, Strom ist nicht da, der Mond scheint nicht und Trafos haben wir an den Rädern auch nicht, so wird die Rückfahrt nochmal zu einem richtigen Abenteuer, mit dem wir den Aufenthalt in Bagan beschliessen.

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