02.04.2002  Ein Autoabenteuer nach Kalaw

Beim Frühstück beschliessen wir, wenigstens am Fuss des Mount Popa vorbeizufahren, wenn wir schon nicht hinaufsteigen können. Der Mt. Popa liegt zwischen Bagan und Thazi und die beiden Driver, die uns schon am Bus erwarten, erklären uns, dass sei kein Problem, wir würden ein paar schöne Fotos vom Mt. Popa bekommen. Pünktlich halb acht geht´s dann los und was zu Beginn wie eine normale kleine Fahrt aussah, entwickelt sich im Laufe des Tages zu einem wahren Höllentrip. Ist die Strasse zu Anfang noch breit und asphaltiert, biegen wir nach wenigen Kilometern ab und der Weg ist nur noch eine Wagenbreite breit, immerhin noch asphaltiert, weist aber schon das eine oder andere Schlagloch auf. Kurz hinter Bagan finden wir einen kleinen Stand am Wegesrand. Wir halten an, hier kaufen wir Bonbons aus Palmzucker und können auch gleich beobachten, wie der Zucker gewonnen wird. Hoch oben in den Palmenkronen wird die Palme angeritzt und der Saft in halben Kokusnussschalen aufgefangen. Der Saft wird erhitzt und sondert den Zucker ab, der dann karamelisiert und zu Bonbons verarbeitet wird, die in kleinen Palmkörbchen verpackt portionsweise verkauft werden. Wir nehmen auch je ein Päckchen mit und fahren dann weiter.
Unser Fahrt nähert sich den Shan-Bergen, die wir schon weit am Horizont erkennen können. Nach zwei bis drei Stunden können wir schon einen ersten Blick auf den Mt. Popa werfen.

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In einem kleinen Dorf machen wir halt. Hier können wir die phantastische Form des 737m hohen Mt. Popa sehen, wie ein Kegel erhebt er sich inmitten des flachen Umlandes der Myingyan-Ebene. Hoch oben kann man ein Kloster mit golden Kuppeln erkennen, die man über eine geschwungene Treppe erreicht. Popa ist altes Sanskrit-Wort für Blume und tatsächlich ist die Myingyan-Ebene bekannt für die vielen Bäume, Pflanzen und Heilkräuter, auch wenn sich jetzt im April die Landschaft nur in vielen verschiedenen Abstufungen von Braun zeigt – 38° bis 40° sind jetzt die Regel.
Von unserem Standort aus hat man den perfekten Blick; die Sonne scheint von hinten auf den heiligen Berg und wir machen einige schöne Fotos. Plötzlich umringen uns ein paar Mädchen mit grossen flachen Bast- oder Palmtabletts, auf denen merkwürdige braune Kugeln liegen. Sie halten sich die Kugeln an die Ohren, schütteln sie und lächeln dabei, was sie rufen, können wir erst nicht verstehen, aber dann nehmen wir selbst eine solche Steinkugel in die Hand; innen scheint sich eine weitere Kugel zu befinden und dann verstehen wir auch die Rufe: Popa-Stone, Popa-Stone! Die Steine sind aus dem Lavagestein des Mt. Popa gewonnen, die Hitze muss sich schnell abgekühlt haben, so dass sich im Inneren kleinere Steine erhalten haben.
Bis Meiktila, wo wir einen kurzen Tank- und Toilettenstop einlegen, passiert nicht viel, wenn man von den vielen alten und mit Menschen völlig überladenen Lastwagen absieht, die in halsbrecherischen Tempo uns entgegenkommen oder mit Achsbruch am Wegrand liegengeblieben sind. Diese werden gleich an Ort und Stelle repariert, während sich die Menschen am Strassenrand niederlassen und in Seelenruhe etwas zu Essen machen oder einfach nur warten. Keine Hektik, kein lautes Geschrei, es ist hier alltäglich und keinesfalls ein Grund zur Aufregung. Nicht auszudenken, was auf unseren Strassen los wäre, sollte so etwas passieren!
Am Nachmittag durchqueren wir das Shan-Gebirge und manchmal ist es wirklich atemberaubend: Die Strasse ist manchmal nicht breiter als unser Minibus, rechts Berg, links tiefe Schlucht, knöcheltiefe Schlaglöcher und von vorn ein Lastwagen mit Überbreite, der die langen Teakholzstämme durch die engen Serpentinen transportiert! Wir wissen nicht, wie – aber unser Fahrer hat es immer geschafft, an diesen Ungetümern vorbei zukommen, manchmal an einer Steigung mit mehr als 30% und das im dritten Gang. Wir sind oft versucht, den Schalthebel einfach in die Stellung zum ersten Gang zu schieben, aber unser Fahrer beweist volles Können, nicht einmal ist unser Auto abgesoffen.
Mittlerweile wird das Klima deutlich angenehmer; obwohl die Sonne noch immer hoch am Himmel steht, merken wir jetzt die Höhe der Shan-Berge, in 1000m Höhe fällt das Atmen leichter und nachdem die Strasse die letzte Höhe für diesen Tag passiert hat, zeigt sich uns die ganze Pracht des Shan-Gebirges: Tiefe Schluchten und Täler werden umsäumt von der malerischen Kulisse der hochaufragenden Berggipfel und irgendwo schlängelt sich die von Sonne, Regen und Erdstössen völlig verbogenen Schmalspurgleise der Myanmar-Bahn durch die wilde Schönheit der Landschaft.
Endlich haben wir das Ziel der heutigen Etappe erreicht: Kalaw liegt vor uns!
Mit 1320m Höhe am Westrand des Shan-Gebirges gelegen, war es bereits während der britischen Kolonialzeit eine beliebte Hill-Station. Hier erholten sich die Offiziere und ihre Familien von der flirrenden Hitze in den Sommermonaten zwischen April und September.
Für 18$ mieten wir uns ein Doppelzimmer im Dream-Villa und nach einer schnellen Dusche und dem schon obligatorischen Myanmar-Bier machen wir uns auf dem Weg zum Seven Sisters, wo es das beste Shan-Essen geben soll. Auf dem Weg dorthin besuchen Dieter und Astrid den Mönch von der Thein Taung Paya; ein etwas eigenwilliger, aber freundlicher Mensch, der die beiden auch gleich segnet und ihnen heiliges Brot mitgibt;

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natürlich bittet er um eine Spende, nachdem er Dieter sein Zimmer zeigt: die Wände sind übersät mit Bildern, Postkarten und Briefen von Einheimischen und auch Touristen, die ihn hier schon besucht haben. Sabine und ich haben in der Zwischenzeit schon mal ein Plätzchen im Seven Sisters reserviert; von einem 80jährigen Nepali lassen wir uns auf Deutsch etwas aus der Zeit vor Beginn der Militärdiktatur 1947 erzählen.
Noch immer ist es für die Bevölkerung ein grosses Risiko, über die im Land herrschenden Zustände oder Politik im Allgemeinen zu sprechen und besonders den Fremden gegenüber. Spitzel sind zu tausenden überall und man weiss nie, ob nicht auch der bester Freund ebenfalls gekauft wurde.
Nach einem wunderbaren Essen bei Kerzenlicht – der Strom! – machen wir uns gemütlich auf den Heimweg, trinken noch ein Abschiedsbier und legen uns dann schlafen.

 
03.04.2002 Weiter zum Inle See

Am diesem Morgen steht das Taxi schon vor der Tür; die Fahrt zum Inle See soll etwa 5 Stunden dauern. Wir tanken und selbst das ist ein Erlebnis der besonderen Art: ein Stuhl mit der Benzintonne darauf und ein dicker Schlauch aus Plastik bilden die Tankvorrichtung. Der Tankwart ist ein junger Kerl und hat eine Zigarette im Mund – wir halten den Atem an! Dann wird der Schlauch in den Tank eingeführt, kurz die Luft angezogen und dann fliesst das Benzin durch den Schlauch in den Tank.
Ansonsten ist an der Fahrt nichts besonders erwähnenswertes und wir sind tatsächlich nach etwa fünf Stunden am Ziel: Nyaungshwe – direkt am Inle See! Zunächst sehen wir uns in der Stadt ein Hotel an, aber irgendwie sind wir nicht zufrieden, es ist mitten in Nyaungshwe und hat nichts besonderes, ausser dass es mit 10 US$ billig ist.
Wir fahren zum View Point. Es liegt direkt am Kanal, der die Einfahrt zum See bildet und ist auf Stelzen gebaut; die Zimmer liegen über einem Nebentümpel und sind nur über einen Steg zu erreichen.

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Am Eingang liegen drei kleine Pavillons, in denen morgens das Frühstück serviert wird und die wahrlich zum Verweilen einladen. Man kann direkt das Leben am Kanal beobachten und hat auch noch einen besonders schönen Blick auf die Brücke, die den Kanal überspannt und die Verbindung zum Hinterland bildet. Innerlich haben wir uns schon mit den Mückenplagen abgefunden – ob unser Autan wohl reicht? Klima gibt’s natürlich auch nicht, aber immerhin ist ein Ventilator im Zimmer und das Bad ist extra. Der Preis: 10US$ und Frühstück inklusive! Kurze Diskussion und dann steht fest: wir bleiben!
Der Inle See  – 22 Kilometer lang und an manchen Stellen bis zu 11 Kilometer breit – liegt 875m über dem Meeresspiegel und ist atemberaubend schön. Berühmt geworden ist er vor allem für seine schwimmenden Gärten, die auf im See treibenden Inseln angelegt sind. Sie bestehen aus Morast, festem Boden und Wasserhyanzinthen und bilden durch diese Beschaffenheit einen äusserst fruchtbaren Boden. Zwischen den Inseln und den 17 Stelzendörfern befindet sich ein ausgedehntes Netzwerk aus Kanälen, die zum Hauptverkehrsweg der Intha (= am See lebende Menschen) geworden sind. Neben der Landwirtschaft ist der Fischfang die grösste Einnahmequelle. Die Ein-Bein-Ruderer des Inle Sees sind der zweite Grund für seine Berühmtheit: Mit einem Bein stehen sie am Heck ihrer kleinen Flachboote und halten mit dem zweiten Bein das Ruder eingeklemmt; damit haben sie beide Hände frei, um die aus Holz und Bambus bestehenden Reusen zu bedienen.
In manchen Dörfern werden die Kanäle von grossen Gittern mit Betelreben gesäumt; zum einen dienen sie der Wahrung der Privatsphähre, zum anderen stellen sie eine zusätzliche Einnahmequelle der Bevölkerung dar.
Nachdem wir uns eingerichtet haben, setzen wir uns auf unserer „Veranda“ und beobachten das Leben am Kanal. Etwa 5 Meter breit liegt er vor uns und ist die Lebensader der Intha. Ihre Boote liegen eng nebeneinander und es scheint kein Durchkommen mehr zu geben, dennoch schaffen es die Händler, von ganz hinten einen Weg durch die scheinbare Barrikade der vor ihnen liegenden Boote zu finden. Boote legen an, die voll beladen sind mit Reissäcken; die Ladung wird direkt vom Boot aus auf den Anhänger eines kleinen Traktors umgeladen. Die Säcke liegen auf kleinster Fläche und sind bald bis zu zwei Meter hoch gestapelt. Die ganze Ladung bringt den kleinen Anhänger und den aus nicht mehr als Motor, Sitz und Lenkstange bestehenden Traktor zum Wanken, aber in aller Ruhe wird die Last fest verschnürt, der Motor mit einer Handkurbel angeworfen und los geht´s über Strassen, die nach unseren Massstäben schlechtere Feldwege sind, und ohne Probleme kommt die Ladung am Ziel an.
Nächste Szene: Ein Mönch in braunroter Robe möchte den Kanal überqueren und schon kommt ein Flusstaxi – kein Problem! Eine Herde kleiner Enten wird vom Muttertier ins Wasser getrieben und mit grossem Geschnatter schwimmen sie dem Boot hinterher.
Den ganzen Tag könnten wir hier so sitzen und das bunte Treiben beobachten, aber jetzt siegt unser Unternehmungsgeist und wir beschliessen, über die Brücke hinweg in den eigentlichen Ort zu gehen. Links und rechts säumen unzählige kleine Läden den Weg, in denen man alles bekommt, was das Herz begehrt: Bonbons und Salzgebäck, kleine Notizblöcke und Stifte, Haushaltsgeräte und natürlich auch Cheroots – die milden, grünen burmesischen Zigarren, die in Bündeln zu 25 oder 50 Stück angeboten werden. Die Strassen sind hier nicht geteert, sondern bestehen entweder aus festgetretenem Schotter oder Lehm und weil jetzt kein Regen fällt, ist es um so staubiger, je mehr Menschen unterwegs sind. Autos sieht man hier gar nicht, nur Lastwagen, entweder mit irgendwelcher Ladung oder aber mit Menschen überfüllt, und natürlich Fahrräder. Die Menschen hier in Nyaungshwe sind nicht reich und arbeiten schwer, um sich den bescheidenen Lebensstandard erhalten zu können und dabei hilft ihnen auch der Tourismus – an Guesthäusern und Restaurants herrscht kein Mangel.
Durch kleine Gässchen gelangen wir zu einem kleinen See mit absolut klarem Wasser; am gegenüberliegenden Ufer haben sich ein paar Kinder zum Baden versammelt und ihr Lachen übertönt das unwahrscheinlich laute Zirpen der Grillen – es müssen riesige Tiere sein, aber wir können keines entdecken. Als wir uns umdrehen und in Richtung Ort zurückblicken, trauen wir unseren Augen nicht: hier steht tatsächlich das Schild, das auch in unserem Reiseführer und auf vielen Internetseiten zu finden ist; unter dem Slogan „Willkommen am Inle See“ finden wir auf englisch und auf burmesisch den Hinweis an die Bevölkerung, den Fremden jederzeit beizustehen. In Anbetracht der derzeitigen Regierung ist das zwar der blanke Hohn, aber immerhin!
Wir gehen zurück zur Brücke und betrachten das unserem Quartier gegenüberliegende Ufer. Aus einer kleinen Hütte ruft uns ein junges Mädchen zu, ob wir nicht eine Tour über den Inle See buchen wollen – wir sagen kurz entschlossen zu und schon kommt ein kleines krummbeiniges Männchen mit einem unwiderstehlichem Grinsen und pfiffig dreinblickenden Augen auf uns zugesprungen, nimmt uns bei den Armen und zieht uns auf ein kleines Flachboot. Auf flachen, bunten Kissen nehmen wir im Schneidersitz Platz – Bänke gibt es in diesen Booten nicht, man sucht sich einfach ein – bequemes? – Plätzchen auf dem Boden und schon liegt das Ufer hinter uns. Unser Bootsführer ist voller Stolz auf seinen Besitz und freut sich, uns mit einem langen Stechruder den Kanal entlang in Richtung See zu „rudern“. Später stellen wir fest: auch er beherrscht das Ein-Bein-Rudern perfekt und als er sieht, dass Dieter ihn filmt, wird sein Gesicht ganz ernst und er legt sich so richtig ins Zeug.

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Wir machen nur eine kleine Tour an den Dörfern entlang und drehen noch vor dem Erreichen des eigentlichen Sees nach rechts ab, um durch das schon erwähnte Netzwerk an kleinen Wasserstrassen kreuz und quer an den kleinen Hütten der Seebewohner vorbei zu fahren; wir können fast in die Wohnzimmer hineinschauen, wenn es die denn hier gäbe! Ungeniert führen die Bewohner ihre alltäglichen kleinen Arbeiten in der beginnenden Abenddämmerung fort, ein junges Mädchen wäscht die Wäsche und klopft sie auf einem grossen flachen Stein aus, eine junge Frau hat ihre langen wunderschönen Haare eingeseift und versucht nun, sich den Schaum auszuspülen. Alle sind freundlich und lachen uns zu, viele winken auch, sie scheinen es gewohnt zu sein, dass die Touris hier mitten durch ihr Leben fahren!
Wieder an Land, beschliessen wir gleich, morgen eine Tour mit dem Motorboot zu machen und dann auf den eigentlichen See hinauszufahren. Wir müssen unbedingt die Familie unseres Bootsführes kennenlernen und stellen überrascht fest, dass sie alle in der kleinen Hütte wohnen und wir sie von unserer „Veranda“ aus direkt sehen können! Und wir dachten erst, das sei nur ein Unterstand oder Tickethäuschen! Entsprechend sprachlos gehen wir erstmal ins Hotel, holen zwei kalte Bier und geniessen sie zusammen mit Sabine und Astrid, die auch gerade von ihrem ersten Ausflug zurückkommen.
Für den Abend verabreden wir, zum Inder am gegenüberliegenden Ufer zu gehen – der soll sehr gut sein und wir haben auch keine Lust mehr, uns im Ort irgendwo was zu suchen. Es ist eine wirklich gute Entscheidung, denn das Essen ist wunderbar und vor allem auch romantisch, denn der Strom ist mal wieder weg und wir essen alle im Kerzenlicht. Sabine und Astrid haben auf Ihrer Reise von Yangon nach Mandalay ein paar Mädels kennengelernt, mit denen sie sich hier verabredet haben und es ist eine ganz illustre Runde, auch wenn es manchmal mit der Verständigung etwas hapert, denn wir müssen englisch sprechen.

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